25 Jahre Kontakt- und Begegnungsstätte für Menschen mit Suchtproblemen

"Haben alle Kaffee?" "Tee, ja Tee haben wir auch, welchen denn?" "Der mit Vanille ist lecker." "Kann ich, bitte, mal den Sportteil der Zeitung haben?" Was ein bisschen wie eine Mischung aus einem trubeligen Morgen am Frühstückstisch einer großen Familie und einer gemeinsamen Frühstückspause von lange bekannten Arbeitskollegen wirkt, ist ein typischer Start ins offene Angebot der Caritas-Kontakt- und Begegnungsstätte für chronisch abhängigkeitskranke Menschen in Bochum-Langendreer. Eine Besucherin huscht mit ihrem Stift gerade über das aktuelle Kreuzworträtsel. Am Tischende wird eine Socke gestrickt. Eine Frau hat Nähzeug und etwas zum Basteln an ihrem Platz ausgebreitet. Währenddessen wird über die Gesundheit geplaudert, über den Hund und selbstverständlich über das jüngste Fußballspiel der Bochumer. "Wir reden auch viel übers Tagesgeschehen, aber definitiv immer über Fußball - und das heißt hier eben über den VfL", sagt Sonja Wloch mit einem verschmitzten Lächeln.

Sieben Gäste haben die Diplomsozialpädagogin und ihre Kollegin Nanette Bock heute in den Räumen im Erdgeschoss an der Lünsender Straße 3, wo die Kontakt- und Beratungsstelle vor 25 Jahren eröffnet wurde und am Donnerstag, 22. Mai, mit geladenen Gästen das Jubiläum gefeiert wird.

Es sind sieben Männer und Frauen, die alle ihre eigene Suchtgeschichte haben - mit Alkohol, Medikamenten oder auch beidem. Für alle gilt die Diagnose "chronifiziert", sie sind alle seit mindestens 30 Jahren chronisch suchtkrank oder chronisch mehrfachgeschädigt, ihre langjährige Abhängigkeit hat zu einer Vielzahl von weiteren Folgeschäden geführt. Die Sucht hat ihre Spuren in körperlicher, psychischer, materieller und sozialer Hinsicht hinterlassen. Auch wenn sie geschafft haben, heute abstinent zu leben.

"Abstinenz ist für uns allerdings keine Voraussetzung, damit jemand zu uns kommen kann", betont Sonja Wloch. Das Ziel sei, den Klientinnen und Klienten eine Tagesstruktur zu bieten. "Weil viele durchs soziale Netz gefallen sind, isoliert leben, keine Familie haben und nicht mehr im Beruf sind und allein zuhause sitzen würden", zählt Nanette Bock, gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin auf. "Hier haben sie ihr zweites Wohnzimmer gefunden", sagt Sonja Wloch, "wir sind wie die offene Tür für Jugendliche, nur eben für erwachsene Menschen mit Suchtproblemen."

Zum Teil kommen die Männer und Frauen an vier Tagen in der Woche in die Kontakt- und Begegnungsstätte. Montags und dienstags ist sie von 14.30 bis 17 Uhr geöffnet, donnerstags und freitags von 10 bis 13 Uhr. Zweimal in der Woche gibt es ein Frühstücksangebot. Einmal in der Woche treffen sich Handarbeitsbegeisterte - parallel zur normalen offenen Tür.

Manchmal wird gemeinsam gekocht. "Zum Beispiel Gerichte, von denen jemand sagt, die hat er noch nie gegessen und würde sie gerne einmal ausprobieren", erzählt Nanette Bock. Oder es wird zum Beispiel Eis selbst gemacht. Im Advent wird außerdem gebacken - auch für die gemeinsame Adventfeier. Vor Ostern werden Eier gefärbt. Es werden regelmäßig Ausflüge geplant. Fast immer werden an den regulären Tagen in der Kontaktstelle Karten- oder Gesellschaftsspiele ausgepackt - beliebt sind Rommé, Mensch-ärger-dich-nicht und Rummikub. "Und dann bringen wir immer mal etwas ganz Neues mit", berichtet Sonja Wloch und muss lachen, "dafür brauchen wir dann schon manchmal Überzeugungskraft."

Aber das Angebot an sich ist in seiner Grundstruktur in all den Jahren sowieso beibehalten worden. "Besucher wissen einfach die Kontinuität und Verlässlichkeit zu schätzen", betont Nanette Bock. Die Klientel hat sich in dem Vierteljahrhundert allerdings etwas verändert. "Im Durchschnitt sind die Besucherinnen und Besucher jünger geworden. Heute kommen auch schon einmal Menschen Mitte 20 zu uns", berichtet Sonja Wloch. Insgesamt hatte das Kontaktstellen-Team im Jahr 2024 mehr als 400 Kontakte. Etwa zehn Männer und Frauen kommen ein- bis viermal die Woche vorbei, weitere 50 in größeren Abständen. Als das Konzept für die Kontaktstelle vor 25 Jahren gemeinsam mit der Stadt Bochum erarbeitet wurde, war es für 48 Menschen vorgesehen.

 Sonja Wloch erinnert sich noch gut an die Entstehungszeit und an die anfänglichen Widerstände aus der Langendreer Bevölkerung. "Da gab es große Vorurteile über alkoholabhängige Menschen. In Briefen an den damaligen Pastor der Gemeinde St. Marien, Gerhard Lenski,wurde von der Sorge um die eigenen Kinder gesprochen. Aber der Pastor hat uns sehr unterstützt und in der Gemeinde sehr positiv für uns geworben", blickt die 61-jährige Bochumerin zurück. "Die ganzen Widerstände sind dann auch innerhalb kürzester Zeit verpufft. Und es hat nie auch nur den kleinsten Ärger mit Nachbarn oder so gegeben."

 Für Sonja Wloch persönlich ist der "beeindruckendste Effekt" der Arbeit der vergangenen Jahre, "wie viele Menschen es über ihr regelmäßiges Herkommen geschafft haben, sogar ohne Therapie abstinent zu werden. Es ist so toll, dass Menschen, die 30 Jahre abhängig sind, das schaffen."

 Wirklich schlimm sei in all den Jahren nur eines gewesen: die Corona-Pandemie. "Wir mussten ohne Alternativen schließen - und es wurde noch mal deutlich, für wie viele Menschen wir ein wichtiger Anker und ein zweites Wohnzimmer sind", so Wloch. Sobald es Möglichkeiten gab, wie Spaziergänge auf Entfernung oder Treffen in Grünanlagen mit Stuhlkreis mit säuberlich abgemessenen Abständen, wurden sie umgesetzt. "Und zum Glück haben wir nach der Pandemie auch alle wieder bei uns zurückgehabt."

(Im Bild: Sonja Wloch, links, und Nanette Bock.)

25 Jahre Kontakt- und Begegnungsstätte für Menschen mit Suchtproblemen

 Öffnungszeiten

Montag: 14.30-17.00 Uhr
Dienstag: 14.30-17.00 Uhr 
Donnerstag: 10.00-13.00 Uhr 
Freitag: 10.00-13.00 Uhr

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